Anders, und doch vertraut: Für ihr zweites Album als Blush Always taucht die Leipziger Musikerin und Songschreiberin Katja Seiffert die Stärken ihres letztjährigen Debütalbums in ein neues Licht. Auf „An Ode To ?“ rücken immer öfter kritische Selbstreflexion und einfühlsames Storytelling an die Stelle chronischer Selbstzweifel, und ihr Indierock-Sound findet mit großer Selbstverständlichkeit den Weg von schroffer Dringlichkeit zu ohrwurmigem Alternative-Pop.
Katja Seiffert macht Musik aus Überzeugung. Mit den leidenschaftlichen Self-Empowerment-Songs des im Herbst 2023 veröffentlichten Blush-Always-Erstlings „You Deserve Romance“ hatte sie den Sound des 90er-Jahre-Indierock spielerisch fürs Hier und Jetzt adaptiert und dabei nicht nur auf unwiderstehliche Melodien und fesselnde Intensität gesetzt, sondern klang anders als viele ihrer Peers auch wie eine Künstlerin, deren Liebe zur Musik größer ist als der Wunsch, berühmt zu werden. Mit dem nicht einmal zwölf Monate später erscheinenden Nachfolger „An Ode To ?“ bleibt sie sich selbst treu, verschiebt aber dezent den Fokus.
Bildeten auf dem letzten Album die Fallstricke der romantischen Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen in all ihren oft schmerzhaften Schattierungen den Rahmen, stellt sich Katja nun die bereits im Albumtitel anklingende Frage, für wen sie eigentlich Musik macht, beleuchtet in gleich mehreren Songs die Rolle der Musik in ihrem Leben und hinterfragt ihren Platz in der Musikwelt – mit einem durchaus bemerkenswerten Ergebnis. „Es geht mir deutlich besser, seit ich die Entscheidung getroffen habe, dass ich in meinem Leben nicht nur Musik machen möchte“, sagt sie über ihren Entschluss, Beruf und Berufung zu verbinden, anstatt alles auf eine Karte zu setzen. Beim Hören der neuen Songs darf man sich deshalb ein wenig einbilden, dass das auch auf ihre Herangehensweise abgefärbt hat.
In der Vergangenheit hatte sie ihren Ansatz treffend als „Expressives Songwriting in emotionalen Situationen“ beschrieben, dieses Mal war es ihr wichtiger, weniger aus der Situation heraus zu schreiben. Stattdessen versucht sie, Bedeutungen und Lösungen zu finden, und dokumentiert retrospektiv den Verarbeitungsprozess. Die Songs sind deshalb nicht unbedingt positiver gestimmt, aber spürbar reflektierter. Anders als zuvor kreisen sie nun weniger um sie selbst. Die Erkenntnis, dass sie ihre Inspiration inzwischen vor allem aus dem Austausch mit anderen zieht und der Freude daran, für und über Personen aus ihrem persönlichen Umfeld zu schreiben, wies ihr bei der Entstehung ihres zweiten Albums den Weg.
Diese neue Offenheit spiegelt „An Ode To ?“ auch klanglich wider, denn viele Songs neigen jetzt stärker zu Extremen. So ebnet gleich in der Eröffnungsnummer „My Mum‘s Birthday“ die wuchtige Grunge-Intensität der Strophen den Weg für die luftige Leichtigkeit des Refrains, während Katja inhaltlich eine Brücke von eigenen Versäumnissen zur Selbstbezogenheit der Indie-Szene schlägt, in der die wenigsten um authentische Verbindungen bemüht sind.
Dagegen kann man „Fond Of Her“ anmerken, wie viel Spaß es ihr gemacht hat, im Studio die Steilvorlage für einen echten Popsong ungeniert auszunutzen – eine unerwartete Transponierung am Ende inklusive. „Das wollte ich schon immer mal machen, auch wenn ich es eigentlich total lächerlich finde“, gesteht sie. Die trügerische Euphorie, eine Person übertrieben toll zu finden, übersetzt sie so perfekt in Töne, und umgarnt ihr Publikum mit der Art spielerischer Eingängigkeit, die im Sturm der Gefühle ihres Erstlings oft nur im Hintergrund leuchtete.
Hatte Katja zu Beginn ihrer Karriere noch Angst, ihre Songs könnten zu poppig geraten, stört es sie inzwischen mehr, wenn Songwriter bewusst vermeiden, dass die Lieder eingängig sind. „Man sollte keine Angst vor Pop-Melodien haben, wenn es passt oder natürlich entsteht“, ist sie überzeugt. „Ich habe das Gefühl, dass der Drang, einen poppigen Refrain zu schreiben, ein Teil von mir ist, und das habe ich dieses Mal weniger kritisch gesehen und es einfach zugelassen.“ Dass sie aber auch ganz anders kann, unterstreicht „Autoimmunity“, eine fiese kleine Punk-Nummer, die als Bonustrack der LP und CD erscheinen wird und sie laut, wild und angriffslustig zu ihren Anfängen als Songwriterin zurückführt, eine Zeit, in der ihr eine Autoimmunerkrankung das Gitarre spielen erschwerte.
Das nachdenkliche „Girl In A Band“ glänzt derweil mit atmosphärischer Dichte und unterstreicht, wie ungemein facettenreich das Album ist. Der Song entstand unter dem Eindruck des letztjährigen Berlin-Gastspiels der neuseeländischen Indie-Darlings The Beths. Die nostalgisch angehauchte Reminiszenz an Katjas Zeit in Auckland, wo vor rund zehn Jahren ihr Wunsch aufkam, selbst auf der Bühne zu stehen, vereint die Dankbarkeit für das bereits Erreichte mit der Hoffnung, auch in Zukunft das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren, wenn sie singt: „I hope I don’t forget what it felt like then / When my only wish was to be a girl in a band.“
Während viele andere Songs des Albums unterstreichen, dass Katja inzwischen in Sachen Songwriting und speziell bei der Melodieführung eine ganz eigene Handschrift entwickelt hat, die ihre Lieder sofort als Blush-Always-Nummern erkennen lässt, entstand „Just Keep Swimming” aus dem Bedürfnis heraus, der Gewohnheit zu entkommen. Inspiriert von The Sundays und Fiona Apple richtet sie sich hier den Blick auf das Storytelling, während sie musikalisch mit dem kurzen, aber umwerfend catchy Refrain zielsicher in der Pop-Abteilung des Alternative Rock landet. Wer da an Alanis Morissette denkt, liegt sicher nicht ganz falsch, und wer sich den Song auch im Abspann einer 2000er-Rom-Com vorstellen kann, weiß, was Katja beim Arrangieren im Sinn hatte.
Das allenthalben positive Feedback auf ihr erstes Album und die Welle der Begeisterung, die ihr bei den restlos ausverkauften Release-Shows entgegengeschwappt war, sorgte für einen echten Selbstbewusstseins-Schub kurz vor den Aufnahmen, und das hinterließ Spuren auf „An Ode To ?“. War ihr bislang eine gewisse Abgrenzung wichtig, suchte sie nun mehr nach Gemeinsamkeiten. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mich als Künstlerin nicht mehr beweisen musste, und deswegen hatte ich auch mehr Lust, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten“, sagt sie und lud gleich eine ganze Reihe Seelenverwandter ein, die mit ihr in der Vergangenheit bereits die Bühne geteilt hatten.
Jakob Amr, dessen Band Leoniden Blush Always schon früh den Weg geebnet hatte, schaute für ein, zwei Tage im Studio vorbei und es entstanden gleich drei neue Songs, mit BROCKHOFF schrieb Katja „Bigger Picture“, eine sanfte Hymne, die um Freundschaft und Lieblingsmusik kreist und zu „Enemy“, das vom Irrsinn des Konkurrenzneids in Indiekreisen handelt, steuerte Sophie Lindinger von My Ugly Clementine eine Strophe bei. Das herzerwärmende „You Are My Favorite Place To Stay“ geht auf ein skizzenhaftes Demo von Pabst-Drummer Tore Knipping zurück, der bei den Aufnahmen auch Schlagzeug, Solo-Gitarren und Backing Vocals übernahm, außerdem trug der befreundete Musiker Damian Dalla Torre mit (Bass-)Klarinetten-Kompositionen zur sphärischen Ballade „Lonely Things“ bei.
Doch das war nicht die einzige Neuerung im Entstehungsprozess. Nachdem Katja für „You Deserve Romance“ zwei Anläufe benötigt hatte, war der zeitliche Rahmen dieses Mal absichtlich deutlich knapper gesteckt. Dass sie so der Chance beraubt war, die Ergebnisse wieder und wieder zu hinterfragen, hat sie tatsächlich eher als Erleichterung empfunden. Ohne wie zuvor viel Energie auf eine langwierige Demo-Phase zu verschwenden, verlegte sie den Prozess des Experimentierens und das Austüfteln der Details direkt ins Studio und verließ sich so auf die Magie des Moments.
Unterstützung fand sie erneut bei Magnus Wichmann, der 2022 schon ihre erste EP „Postpone“ und anschließend auch ihr Debütalbum produziert hatte und dieses Mal bei den Aufnahmen ihr einziger Mitstreiter war. Der Drang, sich selbst auszuprobieren, war einfach größer, oder wie Katja es ausdrückt: „Ich wollte wissen, wie das eigentlich ist, wenn mehr von mir abhängt.“ Das führt dazu, dass auf „An Ode To ?“ produktionstechnische Finessen wichtiger sind als brillante individuelle Instrumentalparts, was insbesondere in Liedern wie dem von Jeff Buckleys Tod inspirierten „Song About Drowning“ deutlich wird. Das sorgt dafür, dass die Strahlkraft der Songs selbst noch stärker im Mittelpunkt steht.
Das Resultat ist ein Album, in dem noch mehr von Katja und ihrer Vision für Blush Always steckt als in ihrer ersten Platte, ein Album, mit dem sie selbstsicher ihren eigenen Idealen folgt und unbeirrt eine Karriere in den Blick nimmt, in der Langlebigkeit und Nachhaltigkeit mehr wert sind als ein Strohfeuer auf der Erfolgsleiter. Fortsetzung folgt, Ende offen – oder wie sie selbst in „Time Of My Life” singt: „I don’t know where I’m going, but I’m on my way.”
Different, yet familiar: For her second album as Blush Always, Leipzig musician and songwriter Katja Seiffert casts the strengths of her debut album in a new light. On "An Ode To ?", critical self-reflection and empathetic storytelling increasingly replace chronic self-doubt, and her indie rock sound naturally transitions from raw urgency to catchy alternative pop.
Katja Seiffert makes music with conviction. With the passionate self-empowerment songs of Blush Always' fall 2023 debut "You Deserve Romance," she playfully adapted the sound of 90s indie rock for the present day, relying not only on irresistible melodies and captivating intensity but also standing out from many of her peers by sounding like an artist whose love for music is greater than the desire for fame.
With the follow-up "An Ode To ?" released not even twelve months later, she remains true to herself but subtly shifts the focus. While her last album explored the pitfalls of romantic love and interpersonal relationships in all their often painful shades, Katja now questions, as hinted at by the album title, for whom she actually makes music, examining the role of music in her life and her place in the music world – with quite remarkable results. "I've felt much better since I decided that I want to do more than just make music in my life," she says about her decision to combine profession and vocation rather than putting everything on one card. Listening to the new songs, one might imagine that this has also influenced her approach.
In the past, she described her approach as "expressive songwriting in emotional situations," but this time it was more important for her to write less from the moment. Instead, she seeks meanings and solutions, documenting the processing retrospectively. The songs are therefore not necessarily more positive, but noticeably more reflective. Unlike before, they revolve less around herself. The realization that she now draws her inspiration mainly from interacting with others and the joy of writing for and about the people in her life guided the creation of her second album.
This new openness is also reflected in the sound of "An Ode To ?", as many songs now lean more towards extremes. The opening track "My Mum’s Birthday" uses the powerful grunge intensity of the verses to pave the way for the airy lightness of the chorus, while Katja bridges her own shortcomings to the self-centeredness of the indie scene, where few strive for authentic connections.
In contrast, "Fond Of Her" shows how much fun she had unabashedly taking advantage of the setup for a true pop song in the studio – including an unexpected transposition at the end. "I've always wanted to do that, even though I actually find it quite ridiculous," she admits. She perfectly translates the deceptive euphoria of finding someone overwhelmingly great into sound, charming her audience with the kind of playful catchiness that often only shone in the background in the storm of emotions of her debut.
Initially, Katja feared that her songs might become too poppy, but now she is more bothered when songwriters consciously avoid making their songs catchy. She’s convinced that "One shouldn't be afraid of pop melodies if it fits or comes naturally... I feel like the urge to write a poppy chorus is a part of me, and this time I viewed it less critically and just let it happen." However, she also shows that she can do things differently with "Autoimmunity," a nasty little punk number that will appear as a bonus track on the LP and CD, bringing her back loud, wild, and aggressive to her beginnings as a songwriter, a time when an autoimmune disease made playing the guitar difficult for her.
The reflective "Girl In A Band," meanwhile, shines with atmospheric density and underscores how remarkably diverse the album is. The song was inspired by last year's Berlin concert of New Zealand indie darlings The Beths. The nostalgically tinged reminiscence of Katja's time in Auckland, where about ten years ago her desire to perform on stage arose, combines gratitude for what’s already been achieved with the hope of not losing sight of what's essential in the future, as she sings: "I hope I don’t forget what it felt like then / When my only wish was to be a girl in a band."
While many other songs on the album highlight that Katja has now developed her own distinctive style in songwriting and especially in melody-making that instantly identifies her songs as Blush Always tracks, "Just Keep Swimming" emerged from the need to escape routine. Inspired by The Sundays and Fiona Apple, she focuses on storytelling here, while musically landing confidently in the pop section of alt-rock with the short but stunningly catchy chorus. Anyone thinking of Alanis Morissette is certainly not wrong, and those who can imagine the song in the credits of a 2000s rom-com know what Katja had in mind when arranging it.
The overwhelmingly positive feedback on her first album and the wave of enthusiasm she encountered at the sold-out release shows gave her a real confidence boost just before the recordings, which left its mark on "An Ode To ?". While she had previously valued a certain degree of separation, she now sought more common ground. "I felt like I didn't have to prove myself as an artist anymore, so I was more eager to collaborate with others," she says, inviting a number of kindred spirits who had already shared the stage with her in the past.
Jakob Amr, whose band Leoniden had paved the way for Blush Always early on, stopped by the studio for a day or two, resulting in three new songs. With BROCKHOFF, Katja wrote "Bigger Picture," a gentle anthem revolving around friendship and favorite music, and for "Enemy," dealing with the madness of competitive jealousy in indie circles, Sophie Lindinger of My Ugly Clementine contributed a verse. The heartwarming "You Are My Favorite Place To Stay" is based on a sketchy demo by Pabst drummer Tore Knipping, who also played drums, solo guitars, and backing vocals during the recordings, and friend musician Damian Dalla Torre contributed (bass) clarinet compositions to the atmospheric ballad "Lonely Things."
But that wasn't the only innovation in the creation process. After needing two attempts for "You Deserve Romance," the timeframe was deliberately much tighter this time. She actually found it a relief to be deprived of the chance to question the results over and over again. Without wasting much energy on a lengthy demo phase as before, she moved the process of experimenting and working out the details directly into the studio, relying on the magic of
the moment.
Once again, she found support in Magnus Wichmann, who had produced her first EP "Postpone" in 2022 and subsequently her debut album, and this time he was her only collaborator during the recordings. The urge to try herself out was simply greater, or as Katja puts it: "I wanted to know what it's like when more depends on me." This results in "An Ode To ?" that production finesse is more important than brilliant individual instrumental parts, especially evident in songs like "Song About Drowning," inspired by Jeff Buckley's death. This ensures that the brilliance of the songs themselves is even more in the spotlight.
The result is an Album, in which more of Katja and her vision for Blush Always is present than in her first record, an Album, with which she confidently follows her own ideals and clearly sees a career where longevity and sustainability take precedence over brief flashes of relevancy. To be continued, the end is unclear - or as she puts it in ,Time of Life’, “I don't know where I’m going, but I’m on my way."
DATES
Date | Country | City | Venue | ||
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“An Ode To ?” Tour, presented by Musikexpress, Diffus & Byte.FM | |||||
09.11.24 | DE | Hamburg | Schanze Festival |
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20.01.25 | DE | Würzburg | Jugendkulturhaus Cairo |
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21.01.25 | DE | Mainz | Schon Schön | ||
22.01.25 | DE | Köln | Artheater |
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23.01.25 | DE | Karlsruhe | Kohi | ||
24.01.25 | DE | Nürnberg | Club Stereo |
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25.01.25 | DE | München | Milla |
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04.02.25 | DE | Kiel | Hansa 48 |
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05.02.25 | DE | Hamburg | Hafenklang |
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06.02.25 | DE | Bremen | Tower |
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07.02.25 | DE | Münster | Gleis 22 |
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08.02.25 | DE | Berlin | Neue Zukunft |
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