Eigentlich wollten Station 17 nach einer Phase der Distanz nur mal wieder beim Musizieren gemeinsam in einem Raum stehen. Sie fuhren raus aus Hamburg, auf eine abgelegene Anlage im schleswig-holsteinischen Hügelland der Hohen Geest, und spielten neue Songskizzen – den ganzen Tag und bis spät in die Nacht hinein. Das Ergebnis wollten sie im Anschluss auf einem Konzert in der Hamburger Fabrik live spielen. Dass zu den Resultaten dann gleich auch ein ganzes Album zählen würde, hatte keiner aus der Band erwartet. Doch die Musik sagte es ihnen mal wieder selbst: das, was hier in der Strahlkraft des Moments entstanden war, ließ sich nicht reproduzieren. Ein Glücksmoment für das Bandkollektiv. »Oui Bitte«, Station 17-Album No. 11, war entstanden. Ganz unverhofft, zwischen Pool und Forellenteich …
So zeigt sich hier wieder mal und dabei par excellence: Die Musik von Station 17 ist vor allen Dingen so gut, weil es eine so große Freude bereitet, sie anzuhören. Woran liegt das? Nun, zunächst einmal bietet sie ganz unterschiedliche Zugänge! So kann man sich wahlweise auf das intuitive Referenzspiel einlassen, das hier betrieben wird, kann dabei den nachgezeichneten Genrelinien folgen (also: mit Wissen hören), kann sich aber auch an den poetischen Erzählungen orientieren, die in wenigen Worten einen weiten Nachklang eröffnen. Oder man lässt sich ganz einfach vom treibenden, elegischen Rhythmusspiel mitnehmen; liegend, tanzend, wie es gerade kommt. Alles scheint möglich in der Grenzenlosigkeit dieser Musik. Die sieben Stücke nämlich spülen diese offenherzigen Einladungen in einen fließenden, ästhetischen Strom, bündeln sie zu einem Genuss, der die eigene Disposition vergessen lässt.
»Oui Bitte« zeigt Station 17 als Band des Expertentums in einer Art akustischer Transzendenz. Hier wird im dichten Zusammenspiel Musik gemacht, die sowohl Körper als auch Geist zugehört – was letzteren zu befreien weiß. Und dabei zwingt die Musik von Station 17 einen angenehm sanft dazu, sich auf all das gleichermaßen einzulassen. Schon in den Field-Recordings der Brandung nämlich, mit denen »20.000 Meilen unter dem Mond« nachtklar beginnt, wird ein Pakt angeboten: die Kontrolle also der Musik zu übergeben, aufs offene Meer zu schwimmen, auf sich zurückgeworfen zu sein – um sich dann den Schallwellen hinzugeben. Der Auftakt erscheint programmatisch: In den folgenden 40 Minuten reißt es einen davon, wird man belustigt, katapultiert, geerdet, bewegt. »Oui Bitte« schafft es, dass der Resonanzkörper eintaucht, abdriftet, anspült, abhebt. Die Landung dann: immer sanft! Größte Kontinuität ist der positive Vibe, ein Flugbegleiter, wohltuend, mehr Hülle als Irritation. Station 17 produzieren keine Staudammbrüche, sie ebnen Flussbetten.
»Bewegung« dann zeigt sich als Höhepunkt des Albums und als Manifestation der Idee Station 17. Beweg deinen Geist und bewege deinen Körper, spricht Birgit Hohnen, eine mittlerweile verstorbene Wegbegleiterin der Gruppe, die mittels Sample in die Gegenwart eines Songs projiziert wird, der mit geschlossenen Augen ohne Weiteres ein meditatives Abheben erlaubt. Doch auch die latente Melancholie, die in diese futuristische Vergangenheitsmusik Einzug hält, bleibt warm, bleibt herzlich, bleibt Einladung: in die klangliche Utopie einer schöneren Welt, die dieses Album zu diesem Zeitpunkt und diese Band ohnehin auf akustischer Ebene unlängst für sich etabliert hat..
Am Ende dann wird Zeit gelassen, wird ein weiter Raum entworfen, werden Meter gemacht. In der Ruhe des letzten Songs zeigt sich dabei im Titel ein Widerspruch: »Das Rasen«. Doch der Widerspruch löst sich auf: Hört man ganz genau hin, gleitet man durch das hohe Gras der Wiese, auf die sich zu legen und zuzuhören »Oui Bitte« einlädt. Ja, bitte: Repeat!
– Hendrik Otremba
1988: Während der Nachtschicht auf der Station 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf hat Kai Boysen die Idee zur Gründung eines inklusiven Musikerkollektivs, das eines der ersten dieser Art werden sollte. Kollaboration mit FM Einheit, Michael Rother, Holger Czukay, …
1990: Das erste Album „Station 17“ erscheint nach zweijähriger Arbeit, Improvisationen im Proberaum, erste Konzerte.
1993: Das zweite Album „Genau so“ erscheint auf ZickZack / What’s So Funny About, ausgedehnte Tournee durch Deutschland, Zeitungen wie Süddeutsche, Zeit, Spiegel und Stern berichten.
1995: Konzertfilm „Station 17 – Der Film“.
1997: Elektronische Wendung der Band, erste Besetzungswechsel.
1999: Album „Bravo“ erscheint, Anton Corbijn fotografiert Station 17, die Idee für ein Remix-Album entsteht, Mute Records wird auf Station 17 aufmerksam.
2001: Hitparade erscheint im Zeichen von 9/11 und geht mitsamt der zugehörigen Tour unter
2006: Das neue Album „Mikroprofessor“ wird die erste Veröffentlichung auf dem neu gegründeten Label 17rec., die Band nimmt eine neue Generation an Musikern auf, die sich wieder an den Anfangstagen der Band orientiert, Kollaborationen mit Fettes Brot, Stereo Total und Michael Rother.
2008: Das Album „Goldstein Variationen“ erscheint, ausgedehnte Tour durch Deutschland.
2010: Experimente und Improvisationen in einer alten Scheune im Wendland.
2011: Das Resultat wird als „Fieber“ veröffentlicht, Konzert im Schloss Bellevue auf Einladung von Joachim Gauck, weitere Besetzungswechsel.
2014: Das Album „Alles für alle“ erscheint, ein reines Pop-Album mit politischen Lyrics, weitere Besetzungswechsel.
2018: Wechsel zum Label „Bureau B“, die beiden Alben „Blick“ und „Ausblick“ erscheinen als Resultat von drei Aufnahmewochen an der Nordsee voller Improvisationen mit Künstlern wie faUSt, Ulrich Schnauss, Harald Grosskopf, Andreas Spechtl, uvm., BBC6 spielt die Songs im Radio, The Wire Magazine titelt „An unabshed liebesbrief to krautrock“.
2019: Zum 30-jährigen Bestehen erscheint die Compilation „Werkschau“, Jubiläumskonzert im Uebel & Gefährlich, weitere Besetzungswechsel.
2021: „Live at Uebel & Gefährlich“ erscheint als Digital-Album, die Band zieht sich erneut aufs norddeutsche Land zurück, um intensiv an neuen Songs zu arbeiten.
2023: Die Single „Untergang“ erscheint, ein Cover der Band Fehlfarben, das neue Album „Oui Bitte“ erscheint, später in 2023: Das Remix-Album „Oui Mixe“ erscheint mit Remixen von Efdemin, Pantha du Prince, Paul Frick, Ada, Toto Belmont, Mense Reents und Lawrence.
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