FRIENDS OF GAS

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Kapital oder kapitulieren
Kein Wetter“ von Friends Of Gas

Den Schmutz der Straße auf die Bühne bringen“, so hat der im Juli 2016 verstorbene New Yorker Musiker Alan Vega einmal die Idee der Liveauftritte seines Duos Suicide beschrieben. Wer einmal die Münchener Band FRIENDS OF GAS live gesehen hat, wird bestätigen können, dass auch diese fünf Musiker*Innen den ganzen Dreck von draußen mit auf die Bühne bringen. Oder gleich einen brennenden Wald!

FRIENDS OF GAS bieten uns bei ihren Live-Konzerten keinerlei Fluchtmöglichkeiten. Wie es schon im großen Roman des Wahnsinns des Neoliberalismus von Bret Easton Ellis („American Psycho“) geschrieben steht gibt es auch bei ihnen am Ende „KEIN AUSGANG!“. FRIENDS OF GAS sind knallharte Konfrontation mit der Gegenwart und auf diesem Wege immer auch große Kunst im besten aller Sinne: Nämlich als Kritik der Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes und verächtliches Wesen ist. Ihre gnadenlose Musik bringt uns die Gewissheit, dass es noch andere Leute da draußen gibt, die täglich dem gleichen Wahnsinn und den gleichen Widersprüchen ausgesetzt sind wie wir selbst. Menschen, die über diese Umstände auch schon lange nicht mehr hinwegkonsumieren können.

FRIENDS OF GAS haben einen Weg gefunden den ganzen verdammten Druck der Verhältnisse als Kollektiv in ihrer Dunkler-Keller-Musik zwischen Noise- und Krautrock aufzuheben. Ein Sound zwischen Faust-Nord und Faust-Süd, zwischen Captain Beefhearts Magic Band, Kim Gordon und Lydia Lunch. Zwischen Slint und Unwound. Hier reitet GG Allin auf einem Crazy Horse.

KEIN WETTER heißt nun das zweite Studioalbum dieser Ausnahmeband, von der wir uns natürlich wünschten, sie wäre gar keine Ausnahmeband: Ein Bündnis von Außenseitern, das sich als Anti-Held*innen zusammen auf die Bühne oder ins Studio begibt und mit Hilfe ihrer Musik plötzlich in Superheld*innen-Manier alles in Schutt und Asche bläst.

Auf ihrem neuen Doppel-Album ist deutlich zu hören, dass sie seit ihrer Debüt-LP FATAL SCHWACH aus dem Jahre 2016 extrem viele Live-Auftritte absolviert haben. Denn sie klingen so großartig wie nie! Das hat sicherlich auch mit ihrem Produzenten Olaf O.P.A.L. (The Notwist, International Music) zu tun, dem es als Fan der ersten Stunde gelungen ist, die Band im Studio wahnsinnig gut einzufangen – so weit man diese Gruppe im Studio überhaupt einfangen kann. Allein der Gesang von Nina Walser ist so überwältigend, dass Tontechniker*innen auf der Stelle das Klinkenkabel aus der Hand fällt.

„Kapital oder Kapitulieren“ skandiert sie lauthals im Karl-Marx-Blues „Schrumpfen“ in dem wir im Sinne einer nicht stattfinden wollenden Revolution alle weiter unbewaffnet bleiben. Die Musik ist dafür umso gefährlicher. Die Texte auf KEIN WETTER sind immer kurz und prägnant. Repetitive Slogans aus dem Leben und aus Erzählungen über die Merkwürdigkeiten des Lebens. Im punkrockigen Stampfer „Blaiberg“ etwa nimmt die Band Bezug auf das Werk von Walter Aue, der in seinem Buch „Blaiberg, oh Blaiberg“ aus dem Jahr 1970 die zweite geglückte Herztransplantation thematisierte und die damalige Medienberichterstattung zwischen Schlagzeilen und Kalenderspruchromantik darin collagierte: „Und Tag für Tag ist die Sonne die Gleiche“.

Wetterbeschreibungen ziehen sich durch dieses Album wie seine stoischen Bassläufe. In „Grauer Luft“ über die düsteren „Felder“ bis in den „Stechpalmenwald“ hinein. Wobei es den Stechpalmenwald tatsächlich auch nur in der Literatur von Peter Stephan Jungk gibt. Er schreibt kleine Geschichten über die großen Loser der Traumfabrik: „Unsere Liebe ist ein in Hollywood gezüchtetes Monster“. „Im Abwasser schwimmen gehen und nicht an die verbale Sprache glauben“, heißt es schließlich in der nihilistischen „Abwasser“-Disco mit seinen rollenden Rock-Breaks. FRIENDS OF GAS weigern sich konsequent, an irgendwelchen neuen Verblendungszusammenhängen mitzuwirken. Stattdessen „leere, liebe Leere...“.

Instrumental klingen sie dabei manchmal wie eine Hardrock-Variante von Khruangbin, etwa in dem Song „Teilchen“, in dem Nina Walser stellvertretend für die ganze Band den inneren und äußeren Zerfall beklagt: „Alles ist von schlechter Qualität. Wir gehen von Bana nach Lität (...) Es war einmal der Mensch –Teilchen und Anti-Teilchen.“

„Selber keine!“, heißt es im abschließenden, 10-minütigen Schlussstück, in dem wir uns als Hörer*innen selbst einen Reim darauf machen dürfen, wer oder was diese Band um Himmelswillen am Ende alles nicht ist. Was wir aber nach dem ersten Hördurchgang von KEIN WETTER auf jeden Fall wissen, ist dass sie ohne wenn und aber die wohl wirkmächtigste deutschsprachige Rockband der Gegenwart ist.

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"Bringing the dirt of the street to the stage" is how New York musician Alan Vega, who died in July 2016, once described the idea of the live performances of his duo Suicide. Anyone who has ever seen the Munich band FRIENDS OF GAS live will be able to confirm that these five musicians also bring all the dirt from outside onto the stage. Or even a burning forest!
FRIENDS OF GAS are a tough confrontation with the present and great art in the best of all senses: as a critique of the conditions in which man is a humiliated, enslaved, abandoned and despised being. Their merciless music shows us certainty that there are other people out there who are exposed to the same madness and contradictions as we are.

FRIENDS OF GAS have found a way to channel all that pressure as a collective in their dark basement-music between Noise- and Krautrock. A sound between Faust Nord and Faust Süd, Captain Beefheart's Magic Band, Kim Gordon and Lydia Lunch. Between Slint and Unwound. GG Allin rides a Crazy Horse.

KEIN WETTER is the name of the second studio album of this exceptional band, of which we of course wish they weren't an exceptional band at all: An alliance of outsiders who go on stage or to the studio together as anti-heroes and suddenly blow everything to rubble in superhero-style.

On their new double album they sound as great as never before. This surely has something to do with their producer Olaf O.P.A.L.(The Notwist, International Music) who, as a fan from the very beginning, managed to capture the band in the studio incredibly well - as far as you can capture this group in the studio at all. The singing of Nina Walser alone is so overwhelming that sound engineers immediately lose the jack cable.

She chants "Kapital oder Kapitulieren (capital or capitulation)" loudly in the Karl Marx-Blues "Schrumpfen (Shrinking)" in which we all remain unarmed in the sense of a revolution that does not want to take place. The music is all the more dangerous for that. The texts on KEIN WETTER are always short and concise. Repetitive slogans from life and stories about the oddities of life. In the punk rock-rammer "Blaiberg", for example, the band refers to the work of Walter Aue, who in his book "Blaiberg, oh Blaiberg" from 1970 dealt with the second successful heart transplant and collaged the media coverage of the time between headlines and calendar motto romanticism in it: "Und Tag für Tag ist die Sonne die Gleiche. (And day after day the sun is the same.)".

Descriptions of the weather run through this album like its stoic bass lines. In "Graue Luft (Grey Air)" over the gloomy "Felder (Fields)" and into the "Stechpalmenwald (Holly Forest)". Whereby the holly forest actually only exists in the literature of Peter Stephan Jungk. He writes little stories about the big losers of the dream factory: "Our love is a monster bred in Hollywood". "Im Abwasser schwimmen gehen und nicht an die verbale Sprache glauben (Swimming in the sewage and not believing in verbal language)", is what the nihilistic "Abwasser (Sewage)"-disco with its rock breaks finally says. FRIENDS OF GAS consistently refuse to participate in any new delusions. Instead "leere, liebe Leere... (empty, dear emptiness...)".

Instrumentally, they sometimes sound like a hard rock variation of Khruangbin, for example in the song "Teilchen (Particles)", in which Nina Walser laments the inner and outer decay on behalf of the whole band: "Alles ist von schlechter Qualität. Wir gehen von Bana nach Lität (...) Es war einmal der Mensch – Teilchen und Anti-Teilchen (Everything is of bad quality. We go from bana to lity (...) Once upon a time there was man - particles and anti-particles.)"

"Selber Keine (None of them)" is the title of the concluding 10-minute final piece, in which we, as listeners, can make up our own minds about who or what this band is, for God's sake, in the end. But what we know after the first listening session of KEIN WETTER is that they are the most powerful German-speaking rock band at the moment.

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PRESS PHOTOS


(c) Moritz Walser

DATES


Date Country City Venue
10.05.24 DE Freising Uferlos Festival