HENDRIK OTREMBA

HENDRIK OTREMBA

HENDRIK OTREMBA

Für viele Musiker ist der Schritt aus dem Kollektiv ein riskantes Manöver: Wie nämlich nehmen Band und Publikum die Entscheidung auf? Hendrik Otremba, Sänger der Gruppe Messer, stellt nun sein Soloalbum vor. Er hat es Riskantes Manöver genannt – aber nicht aus dem genannten Grund. Längst hat er sich als eigenständiger Künstler etabliert, hat als Maler, Autor und Performer stets auch zur Identität von Messer beigetragen, die gerade obendrein an einem neuen Album arbeiten – dieses Soloalbum kündet also nicht von Zwist. Wenn etwas verblüfft, dann vielleicht eher, dass Otremba nicht erneut in ein neues Medium aufbricht, sondern dorthin zurückgeht, wo alles anfing: zu den eigenen Songs, die bisher im Verborgenen lagen.

Riskantes Manöver ist dabei kein Aufguss des Bekannten, aus Ennui oder Eitelkeit. Viel eher tritt der Songwriter Hendrik Otremba an die Öffentlichkeit, der sich parallel zu Messer entwickelt hat. In den vergangenen zwölf Jahren nimmt er Demos auf, experimentiert, geht intuitiv vor und findet zu einer eigenen Sprache, aus der er nun mit zwei engen Freunden ein Album ausgearbeitet hat: Multi- Instrumentalist Alan Kassab, ein Schulfreund Otrembas, und Kadavar-Schlagzeuger Christoph ‚Tiger‘ Bartelt, schon Produzent des Messer-Debuts. Gemeinsam nähern sie sich den Demos wie einem Skript und schaffen so eine Art auditiven Autorenfilm. Im Zentrum steht eine kreative Vision, die von virtuosen Technikern und begnadeten Darstellern umgesetzt wird – neben der Kern-Crew gehören dazu Stella Sommer, Alex Zhang Hungtai (Ex-Dirty Beaches, der Otremba überhaupt erst dazu inspirierte, ein eigenes Album zu schreiben), Gregor Schwellenbach, Friedrich Paravicini, Dominik Otremba (aka Performance) – aber auch Tochter Hedi und mehr als ein Dutzend weitere Kreative zwischen Indie-Adel, Hochkultur-Bagage und Jugendfreunden.

Doch nicht nur durch sein Casting-Gespür und weitere direktive Entscheidungen überzeugt Otremba, sondern vor allem mit Musik, die durch ihre Weite und einen eigensinnigen erzählerischen Ansatz gar filmisch wirkt: Als zarter Chansonier schleicht Otremba durch die Streicherschluchten von New York II, geifert als Apokalyptiker in Nektar Nektar vor Blastbeat und heulendem Saxofon, findet in der sinophilen Klavierballade Bargfeld aber auch zu Ruhe und Intimität. Brachialen Proto-Industrial und dröhnenden Goth meistert Otremba ebenso wie epischen Pop oder Großstadt-Country; hier öffnet ein Musik- Enthusiast sein vielseitiges Portfolio, in dem er als Sänger und Performer zugleich eine neue Bandbreite entwickelt.

In sein Rollen-Inventar führt Otremba zudem die Figur '66 ein, ein „Zeuge des zivilisatorischen Niedergangs“ und eine Art Erzählstimme, durch deren Perspektive wir auf das von Katastrophen und Verlassenheit geprägte Geschehen des Albums blicken. Otremba tritt als '66 maskiert auf, zu sehen etwa auf dem Cover der Riskantes Manöver Doppel-10-Inch. Was die Bandagen bedeuten, bleibt unklar – ein weiterer, rätselhafter Eintrag in Otrembas Privatmythologie, bestehend aus Namen, Zeichen, Bildern, die sich durch sein gesamtes Werk erstrecken.

Riskantes Manöver öffnet darin nicht nur eine neue Facette, der Titel fasst zugleich das Ethos eines Arbeitens zusammen, „das nicht auf Relevanz oder Erfolg gepolt ist“. Gerade, wenn dabei immer wieder Gegensätze vereint werden müssen, die an dem Menschen dahinter zerren: „Das riskante Manöver ist mit den Widersprüchen zu leben und sie im eigenen Schaffen stattfinden zu lassen. Lust und kreative Ambition als was Positives zu begreifen in einer Situation, wo das, was ich sehe, eigentlich für das Gegenteil spricht, abgründig, negativ, dämonisch ist.“ In diesem Sinne ist hier ein Monolith von einem Album geschaffen, der sich zugleich machtvoll und zart aufstemmt, wie es im Untertitel der Platte heißt: „gegen die Verachtung der Gegenwarth“!

Sebastian Berlich

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